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"... Da tat es schon ein kläglich Stöhnen. Auf der
eisernen Straße heran kam ein kohlschwarzes Wesen. Es schien
anfangs stillzustehen, wurde aber immer größer und nahte
mit mächtigem Schnauben und Pfustern und stieß aus dem
Rachen gewaltigen Dampf aus. Und hinterher …"
"Kreuz Gottes!" rief mein Pate, "da hängen ja
ganze Häuser dran!". Und wahrhaftig, wenn wir sonst gedacht
hatten, an das Lokomotiv wären ein paar Steirerwäglein gespannt,
auf denen die Reisenden sitzen konnten, so sahen wir nun einen ganzen
Marktflecken mit vielen Fenstern heranrollen, und zu den Fenstern
schauten lebendige Menschenköpfe heraus, und schrecklich schnell
ging´s, und ein solches Brausen war, daß einem der Verstand
still stand. Das bringt kein Herrgott mehr zum Stehen! fiel‘s
mir noch ein. Da hub der Pate die beiden Hände empor und rief
mit verzweifelter Stimme: "Jessas, Jessas, jetzt fahren sie richtig
ins Loch!" Und schon war das Ungeheuer mit seinen hundert Rädern
in der Tiefe."
(Peter Rosegger bei seiner ersten Begegnung mit der Semmeringbahn)
Die Semmeringbahn wurde schon zu ihrer Zeit als "harmonische
Kombination von Technologie und Natur" angesehen. Beeindruckend
und faszinierend schlängelt sie sich durch steile Felswände
hindurch, überquert Brücken und Viadukte, verschwindet immer
wieder in einem der 15 Tunnels und bietet wunderschöne Ausblicke
auf das Semmeringgebiet. Mit der Erfindung der Eisenbahn war es zum
ersten Mal möglich, Strecken, für die vorher Tagesreisen
erforderlich waren, in kurzer Zeit zurückzulegen. Eines konnte
die Eisenbahn aber nicht überwinden – das Gebirge! Bereits
Erzherzog Johann hatte die Idee, eine Bahnlinie von Wien nach Triest
über den Semmering und nicht über Ungarn zu führen.
1841 erteilte der damalige Staatsminister Karl Friedrich Kübeck
den Auftrag zur Errichtung einer Bahnlinie nach Triest. 1844 existierten
die Bahnlinien von Wien nach Gloggnitz sowie von Mürzzuschlag
nach Graz und nun galt es, eine Verbindung zwischen diesen beiden
Strecken herzustellen.
Um das Problem, wie der Semmering zu bezwingen sei, kam es zu einem
heftigen Expertenstreit. In diesem Zusammenhang kommen die Persönlichkeit
und das technische Genie Carl von Ghegas
ins Spiel. Der geborene Venezianer konzipierte nach einer Studienreise
in die Vereinigten Staaten die Überschienung des Semmerings als
Adhäsionsbahn, die mit einer wohl durchdachten Linienführung
den Gebirgssattel überqueren sollte. 1848 wurden mit dem Eindruck
der Revolution in Wien und zur Linderung der Arbeitslosigkeit die
Baupläne für die Semmeringstrecke genehmigt und Carl Ghega,
bekam die Bauleitung übertragen. In einer Rekordzeit von nur
sechs Jahren wurde die Semmeringstrecke als die erste vollspurige
Bergbahn Europas errichtet. Schwierige geologische Bedingungen, Schluchten,
und Bergrücken erschwerten die Verlegung der Schienenstränge,
sodass die zusätzliche Konstruktion von Tunnels, Viadukten und
Brücken unumgänglich war. Bis zu 20.000 Arbeiter waren mit
dem Bau beschäftigt, ausgestattet mit nur wenigen Baumaschinen
und Schwarzpulver von geringer Sprengkraft. Etwa 1.000 Menschen verloren
durch Unfälle, insbesondere aber durch Typhus und Cholera, ihr
Leben.
Es galt jedoch auch noch ein anderes Problem zu lösen. Eine Dampflokomotive
zu finden, die die enorme Steigung über den Semmering überwinden
könnte. Zwei Jahre nach Baubeginn wurde ein Wettbewerb für
Gebirgslokomotiven veranstaltet. Alle vier vorgestellten Lokomotiven
(Bavaria, Vindobona, Wr. Neustadt und Seraing) erfüllten die
Anforderungen und waren für die Semmeringtrasse geeignet. Wilhelm
von Engerth erhielt den Auftrag, die Pläne der vier Konkurrenz-Lokomotiven
aufeinander abzustimmen. Aus diesen Plänen ging die Serie der
für lange Zeit typischen Semmering-Lokomotiven hervor. Am 23.
Oktober 1853 fuhr zum ersten Mal eine Lokomotive über die gesamte
Strecke. Am 16. Mai 1854 befuhren der Kaiser und die Kaiserin die
Bahnstrecke, am 17. Juli 1854 konnte die Bahn feierlich eröffnet
und dem allgemeinen Personenverkehr übergeben werden. Bis zum
heutigen Tag hat sich an der Streckenführung nicht viel geändert,
nur der längste Tunnel, der Semmeringtunnel, musste neu gebaut
werden. Durch Wassereinbrüche waren Teile des Tunnels einsturzgefährdet
und so wurde im Jahr 1952 der neue Tunnel mit einer Länge von
1511,5 m eröffnet.
Die Semmeringbahn überwindet eine, für damalige Verhältnisse
unwahrscheinliche Höhendifferenz von 457 m, der höchste
Punkt liegt auf 896 m. Die Strecke umfasst rund 41 km, 16 Viadukte
(davon mehrere zweistöckig), 15 Tunnels und 100 gemauerte Bogenbrücken
beziehungsweise Eisenbahnbrücken. Auf den Einsatz von Stahl und
Eisen wurde vom Erbauer vollkommen verzichtet. 1998 wurde die Semmeringbahn
vom UNESCO-Welterbe-Komitee zum Weltkulturerbe erklärt, mit der
Begründung, dass sie „eine herausragende technische Lösung
eines großen physikalischen Problems in der Konstruktion früherer
Eisenbahnen repräsentiere“. Zum Gedenken an das Genie der
Baukunst des Carl Ritter von Ghega steht ein Denkmal am Bahnhof Semmering.
Dieses ist gleichzeitig auch Ausgangspunkt des Bahnwanderweges.
Bilder: Erich
Kodym, Johann Payr |
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